
Der Markt für E-Zigaretten wächst seit Jahren kontinuierlich – in Deutschland wie auch weltweit. Viele Konsumenten betrachten das Dampfen als die weniger schädliche Alternative zur klassischen Zigarette. Gleichzeitig suggerieren die oft bunt gestalteten Fläschchen mit vielversprechenden Aromen eine gewisse Unbedenklichkeit. Doch was genau befindet sich tatsächlich in einem E-Liquid? Und wie transparent ist die Branche in Bezug auf die verwendeten Inhaltsstoffe? Wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt, wird feststellen: Es gibt erheblichen Informationsbedarf, gerade bei Zusätzen, deren Wirkung beim Inhalieren noch nicht ausreichend erforscht ist.
Die Basis jedes Liquids: PG, VG, Nikotin und Aromen
Ein handelsübliches Liquid besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten: Propylenglykol (PG), pflanzlichem Glycerin (VG), Aromastoffen und – je nach Produkt – Nikotin.
Propylenglykol (PG) ist eine farblose, nahezu geruchs- und geschmacksneutrale Substanz, die in vielen Produkten der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie eingesetzt wird. Im Liquid dient PG als Trägerstoff für Aromen und sorgt für das beim Dampfen oft gewünschte „Kratzen“ im Hals, den sogenannten Throat Hit. Obwohl PG in Lebensmitteln als unbedenklich gilt, weist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) darauf hin, dass die langfristigen Auswirkungen einer inhalativen Aufnahme nicht ausreichend erforscht sind.
Pflanzliches Glycerin (VG) ist deutlich dickflüssiger als PG und für die Erzeugung dichter Dampfwolken verantwortlich. VG wird aus pflanzlichen Ölen gewonnen und ist ebenfalls in der Lebensmittelindustrie verbreitet. Es gilt als reizärmer als PG, allerdings gibt es Hinweise darauf, dass bei hohen Temperaturen gesundheitlich bedenkliche Zersetzungsprodukte entstehen können – darunter Acrolein, ein Stoff, der Atemwege reizen und als möglicherweise krebserregend gelten kann.
Nikotin ist in den meisten Liquids in variabler Konzentration enthalten – als freie Nikotinbase oder in Form von Nikotinsalzen. Letztere sind milder im Geschmack und ermöglichen eine höhere Nikotinaufnahme ohne das kratzige Gefühl im Hals. Nikotin ist eine stark suchterzeugende Substanz mit nachgewiesener Wirkung auf Herz-Kreislauf-System, Nervensystem und Stoffwechsel. Unabhängig von der Darreichungsform bleibt es ein pharmakologisch aktives Nervengift.
Aromen geben dem Liquid seinen charakteristischen Geschmack. Dabei reicht die Palette von klassischen Tabaknoten über Früchte bis hin zu komplexen Süßspeisen. Während viele Aromen ursprünglich für den Einsatz in Lebensmitteln konzipiert wurden, ist deren Sicherheit bei Inhalation keineswegs garantiert. Einige Aromakomponenten, wie z. B. Diacetyl (Butteraroma), wurden in der Vergangenheit mit schweren Lungenerkrankungen in Verbindung gebracht – obwohl sie als Lebensmittelzusatz erlaubt sind.
Wenig beachtete, aber problematische Zusatzstoffe
Neben den genannten Hauptbestandteilen enthalten viele Liquids weitere Zusätze, die aus technischer Sicht sinnvoll erscheinen mögen, aber nicht immer gesundheitlich unbedenklich sind. Ein Beispiel ist Sucralose, ein synthetischer Süßstoff, der hitzestabil sein sollte – jedoch laut Studien bei hohen Temperaturen in giftige Chlorverbindungen wie Dioxine und Chloracetaldehyd umgewandelt werden kann.
Auch Farbstoffe, die das Liquid ansprechend einfärben sollen, sind kritisch zu sehen. Sie haben keinerlei funktionale Bedeutung für das Dampferlebnis, könnten jedoch beim Erhitzen zu Reaktionen führen, deren toxikologische Bewertung noch aussteht. Viele europäische Hersteller verzichten inzwischen bewusst auf Farbstoffe – was bei Importware nicht immer der Fall ist.
Ein weiteres Augenmerk verdienen Kühlmittel wie WS-23 oder Menthol, die für ein frisches Gefühl im Mund sorgen. Zwar gelten sie in geringen Mengen als unbedenklich, dennoch mehren sich Hinweise darauf, dass übermäßiger Gebrauch die Atemwege reizen und den Abtransport von Schleim in der Lunge beeinträchtigen kann.
Auch Konservierungsstoffe oder Emulgatoren werden teilweise zugesetzt, um die Haltbarkeit zu verlängern oder die gleichmäßige Verteilung der Aromakomponenten zu gewährleisten. Besonders problematisch wird es, wenn solche Stoffe auf Etiketten nicht deklariert oder unter Sammelbegriffen wie „Trägerstoffe“ versteckt werden.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und offene Fragen
Die Forschung zur Inhalation von E-Liquid-Bestandteilen steckt, trotz wachsender Studienlage, immer noch in den Anfängen. Während es zahlreiche Untersuchungen zur oralen Aufnahme von PG, VG oder Aromastoffen gibt, ist deren Verhalten beim Verdampfen – insbesondere bei hohen Temperaturen – noch nicht abschließend geklärt. Studien des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigen, dass sich beim Erhitzen von PG und VG potenziell toxische Nebenprodukte bilden können, darunter Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein.
Zudem weisen Toxikologen darauf hin, dass die Aufnahme über die Lunge deutlich direkter und damit auch potenziell gefährlicher ist als über den Magen-Darm-Trakt. Die empfindliche Schleimhaut der Bronchien kann auf bestimmte Aromen, Konservierungsmittel oder Zusatzstoffe allergisch oder entzündlich reagieren – insbesondere bei Dauerbelastung.
Auch gibt es Hinweise darauf, dass einige Liquids Schwermetalle enthalten können, die aus schlecht verarbeiteten Verdampferköpfen stammen – ein Problem, das allerdings nicht durch das Liquid selbst, sondern durch mangelhafte Hardware verursacht wird. Dennoch ist es Teil eines umfassenden Qualitätsproblems in der gesamten Lieferkette.
Mangelnde Transparenz in der Branche
Viele Konsumenten wissen nicht, dass die Angabe von Inhaltsstoffen bei Liquids zwar gesetzlich vorgeschrieben ist – aber nicht in dem Umfang, wie man es von Lebensmitteln oder Kosmetika kennt. Hersteller müssen lediglich die Hauptbestandteile und Gefahrenhinweise angeben, während Zusätze unter Oberbegriffen zusammengefasst oder ganz weggelassen werden dürfen. Dies erschwert es dem Verbraucher erheblich, sich ein klares Bild über die Zusammensetzung zu verschaffen.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der globalisierten Produktion: Während in der EU strenge Auflagen der Tabakproduktrichtlinie (TPD2) gelten, werden viele Produkte aus Ländern importiert, in denen deutlich niedrigere Standards herrschen. Besonders problematisch ist dies bei Billigware aus Fernost, bei der weder Qualitätssicherung noch Rückverfolgbarkeit gewährleistet sind. Produkte mit gefälschten CE-Kennzeichen oder falscher Nikotindeklaration sind keine Seltenheit.
Was Konsumenten konkret beachten sollten
Verbraucher stehen heute vor der Herausforderung, aus einer Vielzahl von Produkten seriöse und sichere Angebote herauszufiltern. Dabei helfen einige grundlegende Kriterien:
- Herstellungsland: Produkte aus Deutschland oder der EU unterliegen strengeren Qualitätskontrollen und müssen TPD2-konform registriert sein.
- Etiketten und Beipackzettel: Je ausführlicher die Inhaltsstoffe deklariert sind, desto transparenter der Anbieter. Vorsicht bei Produkten ohne deutschsprachige Kennzeichnung oder mit unvollständiger Angabe.
- Zertifikate und Analysen: Seriöse Hersteller bieten auf ihrer Website aktuelle Laborberichte an oder stellen diese auf Anfrage zur Verfügung.
- Produktbewertung und Fachhandel: Der Kauf bei Fachgeschäften oder spezialisierten Online-Shops ist in der Regel sicherer als bei anonymen Marktplätzen oder Direktimporten.
Fazit: Der Blick hinter den Dampf lohnt sich
Wer E-Zigaretten konsumiert, sollte sich bewusst machen, dass Liquids ein technisch hergestelltes Gemisch mit potenziell riskanten Bestandteilen sind – auch wenn sie keine Teerstoffe oder Verbrennungsprodukte wie bei klassischen Zigaretten enthalten. Die Vorstellung, dass alles, was gut riecht und süß schmeckt, automatisch ungefährlich sei, ist trügerisch. Wer gesundheitliche Risiken minimieren möchte, sollte sich mit den Inhaltsstoffen auseinandersetzen, seriöse Anbieter wählen und auf vollständige Transparenz achten.
Das kannst du als Dampfer konkret tun:
- Prüfe, ob der Hersteller Laboranalysen veröffentlicht.
- Vermeide Liquids mit nicht deklarierten Aromen, Farbstoffen oder fragwürdigen Zusätzen.
- Greife möglichst zu Produkten mit Herkunft aus der EU.
- Informiere dich regelmäßig über aktuelle Studien und Marktanalysen – z. B. über das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Stiftung Warentest oder das DKFZ.
- Wechsle regelmäßig die Hardware, um Materialermüdung und Metallrückstände im Dampf zu vermeiden.
Mit informierten Entscheidungen lässt sich der persönliche Konsum nicht nur bewusster, sondern auch verantwortungsvoller gestalten.